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Die Villa Wellentanz entwickelt sich zu einem kleinen aber feinen Salon für Konzerte aller Art – diesmal war es ein Klavierabend mit Tatiana Radkewitsch.
Der Hausherr begrüsste das Publikum und die Pianistin herzlich und wertschätzte deren Bereitschaft, an seinem unscheinbaren Digipiano zu spielen – wohl wissend, dass jemand wie Tatiana gewohnt sei, an Steinways oder Bechsteins zu spielen, aber wenn jemand so schön spiele wie sie, spiele dies ja keine so grosse Rolle – was sich an diesem Abend tatsächlich bewahrheitete.
Mit der Pianistin verbindet Jean-Pierre und Barbara eine mehrjährige Freundschaft; es begann in Hombis Salon, wo Radkewitsch in mehreren Konzerten sämtliche Beethoven-Sonaten darbot – 32 Stück an der Zahl! Da hiess es wohl „üben – spielen, üben – spielen, üben – spielen“, wie Jean-Pierre bewundernd anmerkte. „Dank“ Corona wurden diese Konzerte von ihm und Barbara gestreamt und sind immer noch auf YouTube zu hören (sehr empfehlenswert!).
Die Pianistin nahm uns auf eine spannende, musikalische Reise mit – beginnend mit vertrauter Tonalität in Form von Chopins Andante spianato et grande polonaise brillante op. 22, ursprünglich als Werk für Klavier und Orchester geschrieben, aber häufig solo aufgeführt; es lässt an einen gemütlichen Sonntag auf einem Landgut denken mit Vogelgezwitscher und Kaiserwetter.
Statt der vorgesehenen Images von Debussy bog Radkewitsch ab in Rachmaninows Gefilde, zu dessen Corelli-Variationen, die am 12. Oktober 1931 in Montreal uraufgeführt wurden – die Pianistin erzählte einleitend von der Villa Rachmaninow in Weggis, die sie besucht und sich sehr inspiriert gefühlt hat; der Komponist habe sich dort ein kleines Russland eingerichtet – tatsächlich lassen die 20 Variationen einen slawisch geprägten Sehnsuchtsort spüren, der gleichzeitig von unzähligen Bäumen und Sträuchern überwuchert und dennoch unendlich weit zu sein scheint. Die Variationen entfalteten unter Radkewitschs Händen ein Feuerwerk unterschiedlichster Klänge.
Weiter ging es mit der vierten Sonate op. 30 von Alexander Skrjabin, zu welcher der Komponist noch ein Gedicht verfasst hatte, das die Pianistin vorab zur Einstimmung rezitierte und welches das Licht eines Sehnsuchts-Sterns besang. Komponiert im Jahr 1903, schwebt die Sonate zwischen Skrjabins chopineskem Frühwerk und dem irrlichtenden Spätwerk, das bereits atonale Klänge ahnen lässt.
Quasi als Abschluss des Konzerts und Zugabe zugleich bot die Pianistin ein Werk eines Komponisten, den sie persönlich kennengelernt hat: Pavel Karmanov, Jahrgang 1970 und in Moskau wohnhaft, hat 2016 „Past Perfect“ komponiert, das in Richtung Minimal Music geht: ein träumerisches ruhiges Plätschern nahm uns mit auf eine Wanderung durch eine Nebellandschaft – ist es noch Morgen oder schon Mittag? – windstill, pastellige Farben, durch die Nebelschleier wird allmählich ein riesiges Gebirge sichtbar, das verborgen war; leichter Nieselregen setzt ein, erneute Nebelfetzen, wieder plätschernd aber nun um das riesige Gebirge wissend endet die Wanderung und damit auch der Klavierabend.
Es war eine fantastische Reise durch magische Klangwelten, die neugierig machen kann auf die CD mit russischen Komponisten, die demnächst erscheinen soll. Die frischgebackene Schweizerin hatte sich in unsere Herzen gespielt und wurde mit entsprechendem Applaus belohnt – und mit einer Leckerei der hiesigen Konditorei Janz.
Gerne wieder, Tatiana Radkewitsch!
Wie immer klang der Abend in gemütlichen Gesprächen und Häppchen aus.
Bericht:
René Kousz
Aufzeichnung des Konzerts